hier eine Leseprobe aus dem Prolog und dem ersten Kapitel

Leseprobe aus dem Roman Wie Blätter im Wind von Miluna Tuani

 

Wer zu glauben hofft, die Blutrache wäre mit beginn der sogenannten Zivilisation ausgerottet, der wird beim Lesen dieser Geschichte vielleicht noch einmal darüber nachdenken müssen, was Zivilisation eigentlich ist...

 

Prolog

 

Die Sonne senkte sich allmählich dem Horizont entgegen. Der Abend legte sich über die friedlich scheinenden Bergdörfer, die an den steilen Hängen der Berge dicht an den Fels geschmiegt waren, wie Adlernester. In den letzten Strahlen der noch lauen Maisonne flogen schon die ersten Fledermäuse aus den hoch hinauf ragenden alten Gemäuern in die Dämmerung hinein.

 

Ein kleiner Weg, nicht breiter, als dass ihn zwei Eselskarren befahren konnten, schlängelte sich in eins dieser typischen korsischen Bergdörfer, aus dem man plötzlich Lärm eines Fahrzeuges und Stimmengeschrei hören konnte. Neben dem Brunnen am Dorfplatz des Ortes hielt ein klappriger Renault an.Zwei Männer mit Gewehren bewaffnet, stiegen aus.

 

Die noch eben auf Bänken und Treppen gesessenen Dorfbewohner verzogen sich eiligst in Ihre Häuser und verbarrikadierten Türen und Fenster.

Man hörte eine alte Frau klagen:

"Jetzt kommen sie auch noch seine Witwe und das Kind

holen!" -

"Wie konnte er auch nur so kopflos sein und mit diesem Kerl eine Prügelei beginnen! Als Epileptiker musste dieser ja so ungünstig fallen, und sich den Schädel aufschlagen!“ - bemerkte der Mann der alten Frau, die gerade das Fenster schloss.

"So liegt der arme Fredu unter der Erde, kaltblütig erstochen mit einer Mistgabel von dem Bruder seines Rivalen!" - entgegnete die Frau wieder und fügte noch hinzu: "Man erzählt, dass Fredu im Untergrund aktiv gewesen sein soll und dass seine Frau von Dingen weiß, nach denen die Gendarmen schon lange suchen!" -

"Lucia, das ist doch Geschwätz!"- bemerkte der Alte, „Fredu hätte doch nicht seine Frau in eine solche Gefahr gebracht!" -

"Und warum suchen sie dann nach Ihr?" -

"Was geht das uns an? Lass diese Angelegenheit wie sie ist, sonst kommen sie auch noch zu uns!" -

"Alter Angsthase!" - fauchte seine Gattin, und verriegelte das Fenster endgültig, nachdem sie beobachtet hatte, wie die bewaffneten Männer den Weg zum letzten Haus im Dorf einschlugen; dem Haus der Witwe des ermordeten Fredu.

 

In die Abendstille, die vereinzelt von dem leisen Kauzen einer Waldohreule unterbrochen wurde, erhob sich plötzlich ein hysterisches Gackern von aufgescheuchten Hühnern. Ein Hund bellte wütend auf. Ein Schuss fiel und jämmerliches Jaulen gefolgt von dem grellen Aufschrei einer Frau, durchschritt eisern die friedliche Stille und sogar die Eule verstummte augenblicklich. 

 

Man sah eine junge Frau, ganz in schwarz gekleidet, den Kopf unter einem Mandile, einem großen schwarzen Kopftuch versteckt, mit einem Bündel fest an sich gedrückt eilig aus dem unteren Teil ihres Hauses rennen. Sie hetzte über ihren Garten hinaus auf den gepflasterten Weg, der aus dem Dorf hinein in die Kastanienwälder führte.

 

Die Eindringlinge beschäftigten sich währenddessen das Türschloss von innen aufzubrechen, da es der Witwe von Fredu gelungen war, durch den Keller ihres Hauses zu fliehen und die Männer von außen einzusperren.

 

Vannina hoffte, den nahe gelegenen Ziegenpferch zu erreichen, den ihr Mann für ihre kleine Herde zum Melken errichtet hatte und dessen Innere in eine Felsenhöhle führte.

 

Die junge Frau lief und liebkoste ihr Baby dabei, welches sie dicht an die Brust drückte. Von ihrem Haus her hörte sie Lärm und Geschrei und wusste, dass ihre Verfolger bald aufholen würden.

 

Gerade als sie in das Gebüsch hinein klettern wollte, donnerte hinter ihr schon der erste Gewehrschuss und einer der Männer rief:

"Da ist sie! Los, ziel auf ihre Füße! Wenn wir sie den Gendarmen lebendig übergeben, kassieren wir eine beträchtliche Belohnung und das Balg da, werfen wir in die Macchia, da können es die Schweine fressen!"- fügte er mit einem hämischen Lachen hinzu.

 

Als Vannina diese Worte vernahm, hetzte sie wie wahnsinnig weiter die Straße entlang. Sie rannte an dem Weg, der zu dem schützenden Pferch führte, vorbei. Vor ihr machte die Straße eine scharfe Biegung nach rechts und kurz bevor sie die Kurve erreichte, fiel ein weiterer Schuss, der den Fuß der jungen Frau traf.

 

Die beiden Männer sahen, wie sie hinter der Kurve taumelnd verschwand. Vannina rannten die Tränen über ihr schönes mädchenhaftes Gesicht, das von schwarzen Locken umrahmt war, die ihr jetzt strähnig in die Stirn hingen. Sie drohte zu fallen, der Schmerz und die Erschöpfung machten sich in ihr breit.

 

Da vernahm sie ein herannahendes Motorengeräusch, das aus der Richtung kam, in die sie lief. Sie sah einen weißen PKW auf sich zukommen, der mit quietschenden Reifen kurz vor ihr zum Stillstand kam.

 

Am Steuer entdeckte Vannina eine Frau in ihrem Alter, die vor Schreck beinahe das Lenkrad losließ, als sie Vanninas schwankende Gestalt auf sich zu rennen sah.

 

Doch der Beifahrer griff schnell ein und brachte den Wagen sicher am Straßenrand zum Stehen.

 

Vannina riss die Wagentür auf und rief verzweifelt, sich dabei ständig nach ihren Verfolgern umschauend: "Fahren sie weiter! Schnell! Nehmen sie meine kleine Alena mit und bringen sie sie in Sicherheit, bitte! Sie ist in Lebensgefahr! Bitte fahren sie und bringen sie mein Baby weit weg! Schnell!" -

 

Das letzte Wort blieb ihr vor Verzweiflung und Schmerz im Hals stecken, als sie ihr Baby dem Beifahrer in den Schoß legte, der mit äußerst verdattertem Gesicht seine Frau fragte, was er um Himmels Willen mit dem Baby hier machen sollte. Denn er selber verstand weder Französisch noch Korsisch. Er war sich nicht einmal sicher, welche der beiden Sprachen die Frau benutzt hatte.

 

Seine Frau antwortete: "Ich glaube, sie bittet uns sehr schnell von hier zu verschwinden...und und und...das Baby in Sicherheit zu bringen!" -

 

"Aber, wieso das denn? Wir können doch nicht ein fremdes Baby mitnehmen, zumal wir morgen abreisen!

Wie..."- Er verstummte augenblicklich, als er zwei Männer mit Gewehren auf sie zu rennen sah. Sie legten gerade auf Vannina an, die sich auf gemacht hatte, weiter weg zu rennen.

 

Ohne weiter zu überlegen, gab die Frau im Auto Gas und schoss in einem Tempo los, das für die mit Schlaglöchern übersäte "Straße" bei weitem nicht geeignet war.

 

 

ENDE DER LESEPROBE

 

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Vannina mit ihrem baby auf der flucht